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Violine - Fr, 15. Mär, 17:36
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Mittwoch, 1. Februar 2006

Das Spiegelkabinett

Das Spiegelkabinett
Dieses date sollte also in einem Spiegelkabinett sprich Spiegelzimmer stattfinden. Jedoch handelte es sich dabei weder um das von Dr. C., noch um Beardsley und ebenso wenig um das, in welchem es um den Mythos der Schlacht von Kortrijk und die Erfindung Flanderns im 19. Jahrhundert geht..
Man wird jedoch im Laufe der Geschichte noch erfahren, dass gewisse Ähnlichkeiten nicht von der Hand zu weisen sind…
Schon einmal hatte er dort in diesem abgelegenen Hotel das Zimmer mit dem vielversprechenden Namen bestellt. Sie aber sagte kurzfristig ab. Mit einer fadenscheinigen Ausrede war sie ihm gekommen. Krank, erkältet. In Wirklichkeit las ihr „Frau Moral“ zu dieser Zeit die Leviten. Und anstatt wegzuhören, ließ sie sich von ihr beeinflussen. So in der Art: Was tust du da eigentlich? Denke an dein Alter. Du musst doch endlich ruhiger werden. Lenke dich ab mit Fensterputzen, Gardinenwaschen, Staubwischen. Pass auf deine Enkel auf. Oder gehe tratschen zur Nachbarin!
Nein, das war nicht ihre Welt, und Tratschen mochte sie schon gar nicht. Seit sie selbst nicht „normgerecht“ lebte, verstand sie die Frauen oder Männer, die aus der Reihe tanzten, noch besser als vorher.

Seine Worte dieses Mal: Bitte nicht wieder kneifen, ja? Sie versprach es. Sie versprach es sogar gern. Denn sie war eine Frau, und Frauen sind von Natur aus neugierig. Oder auch neu-gierig? Sie war es jedenfalls. Immer wieder aufs Neue. Auf ihn. Seltsamerweise immer noch.
Auf einer Datingseite hatten sie sich kennen gelernt. Wo sonst sollten sich Mann und Frau auch anders kennen lernen, wenn sich gravierende Defizite im ehelichen Liebes-und Gefühlsleben auftaten. Wenn das Ehebett und andere Schlafgelegenheiten nur noch zum Zwecke des tiefen, festen und ruhigen Schlafs dienten. Ohne erregende zwischenzeitige Wachzustände.Auf der Straße trägt niemand ein Schild: Ich suche den unauffälligen Seitensprung.
Sie beide also hatten dort gesucht und sich gefunden. Wobei sie selbst erst gar nicht begeistert gewesen war von seinen Vorstellungen . Er suchte die attraktive selbstbewusste erfahrene Frau für eine zärtliche Zweitbeziehung. Zweitbeziehung? Nichts für sie. Ein weiterer Grund, ihn abzulehnen, war der, dass er etwa zweihundert Kilometer entfernt von ihr wohnte. Später sollte sich dieser Umstand aber als äußerst günstig herausstellen. Nämlich ab dem Zeitpunkt, als er sie sozusagen erobert hatte. Und nicht für eine kurze Affäre, sondern für eben diese Beziehung, die sie stets abgelehnt hatte. Für die Zweitbeziehung. Das Wort als solches mochte sie jedoch nach wie vor nicht. Es klang in ihren Ohren wie „Zweite Garnitur“.Er hatte protestiert. Sie wäre die Nummer Eins ..

Schritt für Schritt hatte er sie gewonnen. Das große Los gezogen? Genau so sagte er es ihr häufig. Dass sie für ihn so etwas Ähnliches wie ein Lotteriegewinn sei. Dass er genau solch eine Frau gesucht hätte.

Schritt für Schritt hatten sie inzwischen ihre „Liebesaffärenleiter“ erklettert. Ganz oben war zu plötzlich zu viel Liebe entstanden. Also musste ein Schritt zurückgegangen werden. Die Liebe wieder mehr in Sex umwandeln. Ob es funktionieren würde?
Das Spiegelkabinett oder auch Spiegelzimmer würde es zeigen.

Sie trafen sich also nicht, um zusammen eine Ausstellung zu besuchen. Auch nicht für ein gutes Essen in einem teuren Restaurant. Nein, sie trafen sich in einem Stundenhotel.

Kribbeln und Aufregung pur. Beide kamen sich mit ihren Autos auf halber Strecke entgegen. Wie immer von ihm die erste Sms: Kussi, ich bin unterwegs. Ich freue mich auf dich. Ich kann es kaum erwarten.
Sie antwortete ihm: Ich fahre jetzt auch los. Bin aufgeregt. Kussi.
Dann er: Ich bin da, ich warte auf dich im Auto.

Schließlich kam auch sie an, wie immer etwas zu spät. Sie sah sein Auto schon von weitem auf dem Parkplatz stehen. Die erste Umarmung, der erste Kuss waren für beide immer wieder das Schönste.
Dann die Hürde nehmen, den Schlüssel an der Rezeption zu holen. Ihrer Meinung nach lächelte die Empfangsdame nicht geschäftsmäßig genug, eher etwas süffisant. Er meinte dazu: Lass doch, die wissen eh, was wir hier wollen..

Dann die Tür öffnen, etwas schummriges Licht, die Rollläden halb herunter gelassen. Und überall Spiegel. Keine kleinen, nein, große, die Wände ausfüllende Spiegel. Faszinierende Aussichten eröffneten sich ihnen in den folgenden Stunden. Erregend, sich in prickelnden Stellungen oder einfach beim Küssen und Kosen zusehen zu können.
Sie sah sich von vorn, von der Seite, von hinten. Und sie fand sich erotisch und schön. Mit keiner Digicam und keinem noch so ausgefallenen per Selbstauslöser erstellten Foto gefiel sie sich so gut wie in diesen Spiegeln. Sie sah ihr glückliches Lächeln, sie sah seine Grübchen, seinen ganzen Körper, seine hocherhobene Standarte, mit der er ihr nicht nur einmal Lust schenkte.
Und sie sah seine Blicke! Mit denen er sie erneut erregte und anfeuerte. Der Sekt tat sein übriges. Sie genossen ihn pur, gemeinsam mit Sex und Erotik.
Schlachtrufe ertönten, leiser und etwas lauter. Gekämpft wurde allerdings nicht.
Denn das lag ihnen nicht. Sie entdeckten sich gegenseitig, wobei er auf seiner Entdeckungsreise erstaunlicherweise eine bis dato unerkannte erogene Zone aufspürte…

Das Spiegelkabinett. Sie würden noch einmal zu gegebener Zeit darauf zurückkommen. Ja.
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